Dorothee´s Blog -

Weise? Geschichten und Impressionen

von Dorothee Kanitz 9. Juli 2024
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von Dorothee Kanitz 20. Mai 2024
Das Fest, an dem wir feiern, dass Menschen mit dem göttlichen Geist, der göttlichen Kraft, der göttlichen Weisheit ganz unmittelbar in Berührung kommen. Die Abhängigkeit vom „Meister“ weicht einer eigenen Begeisterung und Erfüllung durch die göttliche Lebenskraft. Leben nicht mehr aus zweiter Hand, sondern direkt angeschlossen an die göttliche Urkraft. Diese Kraft ist direkt in uns — führt uns in die Weite, die Freiheit, die Lebendigkeit und Kreativität, die so oft verschüttet ist. Pfingsten wird sie neu geweckt, entflammt, begeistert sie uns! („Geist“ oder „Heiliger Geist“ ist ein im Deutschen irreführendes Wort, weil es viel zu sehr mit – männlicher - Logik verbunden ist. Ursprünglich, im Hebräischen, ist es ein weibliches Wort, „Ruach“, das „Bewegung, Atem, Hauch“ bedeutet. In den ersten Sätzen der Bibel „brütet“ die Ruach (wie eine Taube, die ja auch Symbol des Pfingstfestes ist) über den Urgewässern. Und eben in diesen Urgewässern beginnt das Leben.) In den biblischen Texten ist die Rede von Sturm und von Feuer, von Verständigung, die völlig unerwartet war, von einem Mut sich zu zeigen, den schon damals manche mit zu viel Alkoholgenuss verwechselten. Mit anderen Worten, das Fest ist voll von Be-Geisterung und Schöpfungskraft. Wer vom kreativen Geist der Ruach gefüllt wird, erfüllt ist, der kommt in Bewegung, die geht raus mit ihrer Botschaft, kann sich ganz neu verständlich machen, in einer Sprache, die von allen verstanden wird. Solch neue Verständigung ist absolut wichtig und „dran“. In Verbindung zu Menschen, die wir nicht auf Anhieb verstehen, sprachlich oder kulturell. Da ist Pfingsten nötig und ein wirklich wichtiges Fest. Und genauso wichtig ist eine neue (Wieder-) Verbindung mit allem anderen Lebendigen (ich nenne es jetzt einfach mal Natur, obwohl ich und wir alle ja Teil davon sind und nicht Gegenüber). Für mich sind da die Bäume immer an erster Stelle. Doch jede/r hat ja andere „Erstbezüge“, also wichtigste Liebesbezüge zur Natur. Vielleicht ist es für dich das Meer. Oder die Blumen. Oder Kräuter? Ich glaube, es ist ganz egal. Wichtig ist nur, dass wir so einen Punkt haben. So einen Punkt, an dem wir plötzlich die heilige Weisheit in allem entde cken. Die Weisheit, die „vor Gott spielt“ (so steht es in der Bibel). Und dieses Spielerische fällt mir im Wald auf - wie die Sonne auf dem Boden spielt mit dem Schatten. Wie Blätter im Wind spielen. Wie das alles so leicht erscheint. So spielerisch. So selbstverständlich. So ohne Anstrengung. So kreativ. Das ist „mein“ Pfingsten – die schöpferische Qualität in allem zu ent-decken, auch in mir. Denn wer den (pfingstlichen) Geist in sich entdeckt, der wird mutig und kreativ, die lässt sich begeistern und begeistert, ist Feuer und Flamme für das Leben und wird daran erkannt als eine „vom Geist / von der Ruach Beseelte“. So wünsche ich uns allen be-geisternde Pfingsttage!
von Dorothee Kanitz 21. April 2024
Mein Platz an der Sonne
von Dorothee Kanitz 26. März 2024
Die Woche kommt mit einer Kaskade an Herausforderungen und Tiefe(n) und gleichzeitig Festen und Farben. Das gehört zum Frühling und zu Ostern einfach dazu (zum Leben sowieso). Heute, als ich schreibe, sind die Herausforderungen und diese Kaskade an Farben und Formen sogar wettertechnisch zu beobachten. Gerade schien die Sonne ganz wundervoll auf meinen Schreibtisch und jetzt regnets in Strömen! Das ist eine Veränderung, gegen die ich mich erstmal sträube. Ich würde gerne, dass der Frühling stetig näher kommt, dass nicht nur die ersten Blätter grün und die Blüten bunt werden, sondern dass es auch warm wird, dass ich draußen sitzen kann. Aber dieser Widerstand, genau dieser Widerstand ist es, der die Sache schwierig macht. Bewegung und Veränderung wird immer sein. Ob beim Frühlingswetter, bei den Frühlingsfesten oder bei den Veränderungen im Außen und in meinem Leben. Ich kann der Veränderung nicht aus dem Weg gehen. Ich bin, das Leben ist, alles ist Schwingung. Und Schwingung ist Bewegung. Und das ist gut so. Ich liebe Schaukeln (selbst heute noch!) – und bin glücklich, wenn ich die Bewegung fühle – je höher desto besser. Natürlich kribbelt es dann auch mehr im Magen, doch das ist ja auch schön. Jedenfalls, wenn ich es so betrachte. Wie so oft im Leben (immer vielleicht sogar?) hängt es von der Haltung ab, die ich dazu habe. Beim Schaukeln ist das relativ einfach, doch das ist natürlich nicht immer so, wenn etwas deutlich in Bewegung gerät. Es ist nicht einfach, die Widerstände gegen Veränderungen (wenn sie denn nicht so sind, wie ich sie mir vorstelle) abzulegen. Doch einen Versuch ist es immer wieder wert, denn: Der Gewinn ist unglaublich. Ja, und die Kaskade an Festen und Farben, Herausforderungen und Tiefe wird so zu einem Meisterspiel. Ich habe das Leben selten als Spiel gesehen, das kam in meinem Horizont nicht vor. Doch jetzt, wo ich mich so langsam dahinein und darin zurechtfinde, merke ich, wie großartig das eigentlich ist. Bei den klassischen Frühlingsfesten wie Karfreitag und Ostern ist das deutlich zu spüren, und wenn dir Ostern nichts (mehr) sagt, dann sendet es trotzdem seine Schwingungen (vor allem die von Karfreitag, der unsere (christliche) Kultur jahrhundertelang geprägt hat) ins kollektive Unbewusste. Darum ist es gut, sich dessen bewusst zu werden. Auf jeden Fall: Die Bewegung geht aus der Dunkelheit in das Helle, in die Auferstehung. Die tiefste Tiefe von Verzweiflung, Verrat, Sterben und Tod liegt davor. Ja. Das sind krasse Gegensätze, nicht nur damals, sondern immer wieder neu. Die Beispiele in der Gegenwart sind endlos und tief erschreckend. Dass sie sich teilweise wieder in Israel und Gaza abspielen, vertieft die Dimension des Schreckens, gibt dem „nie wieder“ eine nie gedachte Färbung. Und für die, die mitten drin stecken, ist das kein Spiel. Ich will ihr Leid nicht kleinreden. Und gleichzeitig ist es nicht mein Leid. Ich lebe nach wie vor in Mitteleuropa, in Deutschland und meine Probleme sind lange nicht so existenziell und lebensgefährdend. Ich darf die Sonne sehen und mich daran freuen – und mein Umfeld darauf aufmerksam machen und – vielleicht – mit meiner Freude anstecken. Gleichzeitig kann ich hinschauen, was es – hier und für mich – zu tun gibt um Leid zu lindern. Da bin ich, sind wir (auch als Deutsche, als Deutschland!) richtig gefordert – aufgefordert zu Differenzierung und Aufrichtigkeit. Vielleicht auch noch zu mehr. Doch keiner Frau, deren Kind nicht medizinisch versorgt werden kann, ist geholfen, wenn ich mir die Freude am Frühling versage. Keine Ahnung, wie Jesus das gesehen hat. Vielleicht hat er es vor seiner Inkarnation gut „von oben“ betrachten können. Am Ende mit Sicherheit nicht, sonst hätte er nicht gerufen „mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“. Und doch möchte ich uns den Blick auf unser Leben als einen Spiel-Raum eröffnen, wenigstens teilweise. Ein Spiel, das wir fröhlich und auch mit einer gewissen Ernsthaftigkeit spielen können. Oder das wir absolut persönlich nehmen und uns darein verbeißen können. Wir leben in einer polaren Welt. Wir können Leben nicht „haben“ ohne Tod. Wir können Schönheit nicht erkennen ohne Hässlichkeit. Wir können Freude nicht spüren, wenn wir Leiden nicht kennen. Auch wenn es sehr oft so ungerecht verteilt ist. Jesus hat noch am Tag vor seinem Tod gefeiert. Er hat sich nicht schon vorher verbissen in die Idee „oh, jetzt muss ich leiden“, auch wenn er denen, die litten, geholfen hat, soweit er konnte. Als es soweit war, ist er dem Leid nicht ausgewichen, sondern tief hindurchgegangen, verzweifelt und elend. Aber erst dann. Vielleicht sollten wir das auch tun. Nicht die ganze Zeit leiden, obwohl das so einfach wäre, wenn wir in die Welt hineinschauen und merken, wie schwierig das an vielen Stellen ist/wird, wie die Nachrichten sich überschlagen und wir gleich denken, „jetzt geht die Welt unter ( oder zumindest wird sie furchtbar)“. Vielleicht können wir uns - wenn wir das Leid gespürt haben und uns hinein gefühlt haben, - vielleicht können wir uns dann aufrichten. Die Auferstehungskraft spüren. Darauf vertrauen, dass das Leben sich durchsetzt. Im Kleinen und im Großen. Ich habe die Magnolienknospen vor meinem Fenster beobachtet, wie sie jeden Tag ein Stückchen dicker wurden. Schließlich ihren kuscheligen und sicheren Platz in der Knospe aufgeben mussten, ihre Knospenhülle richtig abgesprengt haben – der Boden unter der Magnolie war voll davon. Da kam mir ein inneres Bild: Ich hatte um meinen Kopf eine Art Ring, festanliegend und starr. Und plötzlich machte dieser Ring „knack“ und platzte auf. Das war ein richtiger Schockmoment. So ähnlich, denke ich, ist es ist bei Knospen auch. Irgendwann ist dieser Übergang da, springt die Schale. Und eine wunderschöne Magnolienblüte entfaltet sich. Ich weiß nicht, wie das für die Knospe ist, sie macht es einfach. Ich weiß auch nicht, ob ich dieses Bild auf uns Menschen übertragen darf. Doch ich wünsche mir, dass es möglich ist. Ja, sogar Freude macht! Unser wunderbarer menschlicher Verstand erzählt uns ja gern, dass Veränderung, dass Wachstum und Aufrichtung in unsere Größe schmerzhaft sein werden, dass es wehtun wird. Er will sich einfach in der Komfortzone halten. Und da ich ein sehr verstandesbetonter Mensch bin, höre ich ziemlich häufig auf ihn und tue mich mit Veränderungen schwer. Der Frühling ist so eine wundervolle Ausnahme! Und in Anbetracht all der Nachrichten, die reinkommen, die ich mir zwar wohldosiert, aber eben doch zu Gemüte führe, ––– in Anbetracht all dieser Nachrichten positiv auf Veränderung zuzugehen und darin eine Möglichkeit zu mehr Fülle, mehr Gnade, mehr Schönheit in meinem Leben zu entdecken, ist eine neue Idee für ich. Das will ich in diesem Frühling ganz besonders üben. Und Ostern feiern, Auf-Erstehung. Trotz allem, was dagegen steht. Vielleicht sogar genau darum. Wer tot im Grab liegt, der tut sich schwer, aufzustehen und sich aufzurichten. Wie denn auch? Tot ist tot; und der Tod macht immerhin ein Ende der körperlichen Schmerzen. Da sind Wunden, von vorher. Wieso die wieder spüren? Also auch Auferstehung - so schön, wie es klingt - hat mit Veränderung zu tun - und zwar mit einer grundlegenden und fundamentalen, möglicherweise sogar schmerzhaften Veränderung. Und mit Chance! Das gilt auch für uns. Die Chance einer Veränderung, die uns größer macht, die uns in unsere innere Größe wachsen lässt. Die uns Wachstumsschmerzen macht, uns aus der Komfortzone herausholt. In etwas Größeres und Schöneres – in ein neues Leben, neue Beziehungen, neue Gemeinschaft und neue Gesellschaft. Schauen wir es dem Frühling und Ostern ab und geben der Veränderung eine Chance! Überlassen wir uns einfach dem Leben, wie die Magnolien.
von Dorothee Kanitz 15. März 2024
Nachhausekommen, was heißt das für mich? Nicht mehr: zu den Eltern bzw. der Mutter kommen. Das ist vorbei. Lange war mit „Nachhausekommen“ auch immer wieder der Besuch bei der Mutter gemeint, der Vater ist ja schon jahrzehntelang tot. Es war die Mutter, die Wohnung wechselte. Dieses Gefühl: ich bin jetzt nicht ganz verantwortlich, ich darf auch ein wenig Kind noch sein – wenn ich will. Irgendwann änderte sich das und ich war eher die Erwachsene, sie mehr und mehr das Kind. Inzwischen bemuttern mich meine eigenen Kinder manchmal. Da ändert sich also immer wieder etwas. Wo also ist „Zuhause“? Meine Großmutter wollte auf ihrem Grabstein stehen haben „Daheim“. Ob für sie – am Ende ihres Lebens jedenfalls – ihre Wohnung, ihr Leben, ihr Mann eben nicht mehr „Zuhause“ war? Ich weiß es nicht, ich versuche mich zu mir selbst vorzutasten. Ist „Zuhause“ meine Wohnung? Irgendwie ja, irgendwie nein. Klar, wenn ich von einer langen Reise oder nach einem anstrengenden Tag zurückkomme, ist es schön, in die vertraute Umgebung zu kommen, sie bildet ja viel von dem ab, was mir wichtig ist. Andererseits, wenn die Wohnung lange leer war, fühlt sie sich auch leer an, nicht so richtig be-seelt. Ist also Zuhause, wo meine Seele wohnt? Dann hätte meine Gro0mutter gedacht, sie muss sterben, um ihrer Seele ein Zuhause zu geben. Das klingt traurig für mich. Und ich frage mich: Hat meine Seele ein Zuhause? Und wenn ja, wo? in mir, in meinem Körper, in meinem Leben. Ist sie lebendig, da wo ich (es) bin? Also auch im Urlaub, wenn ich nicht zuhause bin, auf der Straße, beim Schreiben, in Gesprächen? Durchaus nicht immer. Doch – vielleicht, nein, sicher – immer öfter. Komme ich also „nach Hause“, wenn ich mir meiner Seele als lebendig bewusst werde? Wenn „ich“ lebendig bin? Oder wie kann ich es formulieren? Wenn ich mich richtig freue, strahlt meine Seele mir aus den aus den Augen, fühlt sich zuhause. Wenn ich mich verloren oder traurig fühle, ist sie aber auch da und wir halten Händchen, innerlich. Dann bin ich also traurig, fühle mich verloren und bin trotzdem „Zuhause“. Hat meine Seele vielleicht aber noch ein Zuhause, so eine Art Seelenheimat, wie es manchmal genannt wird? Kommt sie sozusagen „aus dem Himmel“ und geht – nachdem sie meinem Körper, meiner (unserer) irdischen Ausprägung eine Weile Gesellschaft geleistet hat – wieder in ihre Seelenheimat (was auch immer das ist) zurück? Dann hätte meine Großmutter ja richtig gelegen mit ihrem Grabstein als Deklaration für ein größeres Zuhause. Im Moment bin ich ganz zufrieden, mich in mir selbst immer öfter zuhause zu fühlen. Dann fühle ich mich nämlich wohl, ungeachtet aller äußeren Umstände. Alles weitere überlasse ich dem Leben. Und irgendwie weiß ich: ich werde immer (wieder) ein Zuhause finden.
von Dorothee Kanitz 3. März 2024
Sie schaut – gefühlt ausgeschlafen – aufs Handy: 6:10, genauso wie meist. Ihre innere Uhr stimmt in der Regel. Irgendetwas ist allerdings anders, irritierend. Sie kommt erst nicht darauf, was eigentlich. Doch das Gefühl bleibt, verstärkt sich sogar. Und dann sieht sie es: das Handy sagt – inzwischen – 6:13, Samstag, 2. März 2024. STOP denkt sie, in Großbuchstaben. 2. März? War nicht gestern der 29. Februar? Dann sollte heute doch der 1. März sein! Jetzt ist sie hellwach. Und verstört. Sie schaut auf den Kalender, digital natürlich. Samstag, 2. März - da ist das grüne Feld, das anzeigt „das ist heute“. Sie schaut auf ihr Uhr, auch eine mit Datum: Samstag, 2. März 2024. Sie erschrickt: hat sie einen ganzen Tag und zwei Nächte lang geschlafen? Es fühlt sich nicht so an, doch was heißt das schon? Oder wird sie etwa dement und vergisst ganze Tage? Sie erinnert sich noch ziemlich genau an den Donnerstag, den 29. Februar. Morgens hatte sie besuch, mittags gabs Salat, nachmittags war sie unterwegs, abends war Schreiben mit Andrea. Über geschenkte (weil ja der 29.2. war), gefundene und verlorene Tage haben sie geschrieben. Hat sie einen ganzen Tag weg-geschrieben? In „echt“ verloren? Kann frau „ganze Tage“ vergessen, einfach so, mit oder ohne Demenz? Sie kann sich beim besten Willen nicht an Freitag, den 1. März erinnern. Eine gewisse Panik macht sich in ihr breit. Sie zieht sich etwas über und geht zu Briefkasten, die Zeitung wird’s richten… Da sollte ja irgendetwas von gestern stehen. Zuerst das Datum: Samstag, 2. März. Sie überfliegt die Schlagzeilen: Der Kanzler hat am 29.2. mit dem Wirtschaftsminister getagt, die üblichen Unstimmigkeiten. Sie findet keine anderen Daten in den Überschriften, auch nicht in den Artikeln, die sie überfliegt – jedenfalls nicht den 1. März. Was war bloß gestern? Der 1. März oder der 29. Februar? Ist sie die einzige, die einen ganzen Tag verloren hat, oder ist das ein kollektiver Verlust, den offenbar keiner merkt? Sie schaut auf den Zeitungsstoß, der sich auf dem Stuhl stapelt. Oben liegt die Zeitung vom 29.Februar, Donnerstag. Im Briefkasten war nur diese eine Zeitung, die sie jetzt vor sich hat: Samstag, 2. März. Wo ist der 1. März? Eine Zeitung kann verschwinden, aber ein Tag? Ihre Irritation nimmt zu, der fehlende Tag macht ihr zu schaffen. Doch wen kann sie morgens um halb sieben anrufen? Die Nachrichten, fällt ihr ein. Sie schaltet ein: die üblichen Katastrophen werden gemeldet, doch von einem fehlenden Tag ist nicht die Rede. Da, die Nachrichtensprecherin sagt „Gestern, am 29. Februar traf die Bundesaußenministerin …“ mehr hört sie nicht. „Gestern, am 29. Februar“. Das ist doch unglaublich. Wo ist der 1. März? Sie beschließt, dieses Rätsel erst einmal stehen zu lassen. Vielleicht klärt es sich ja. Und wenn nicht – gestern ist vorbei. Doch mit diesem Tag, diesem 2. März, wird sie sehr sorgsam umgehen. Ihn wert-schätzen. Er soll ihr nicht abhandenkommen, sie will ihn leben.
von Dorothee Kanitz 12. Februar 2024
Sisterhood Sisterhood-Call. Seit Januar 2022 treffen wir uns einmal in der Woche auf Zoom. Gedacht war es für einen Jahreskreis, doch wir sind dabei geblieben. Jeden Freitag für eine Stunde. Wir sind fünf Frauen; nicht alle sind jedes Mal dabei – wir haben ja auch noch „ein Leben“, jenseits von Zoom. Wer kann, kommt. Es ist kostbare Zeit, die wir zusammen haben. Wir zünden die Sisterhood-Kerze an, für uns, die wir gerade da sind, und für die, die heute nicht da sind. Manchmal eine zweite Kerze für den Frieden, eine Freundin, die Familie oder ein Ereignis, das (eine von) uns beschäftigt. Ein paar Minuten Stille und Atmen. Ankommen im Jetzt. Raus aus der Vergangenheit, raus aus der Zukunft (und wenn sie nur eine gute Stunde vor uns liegt). Und dann hat jede ihren Raum. Gut zehn Minuten, um von sich zu reden, von dem, was gerade da ist, wichtig ist, glücklich oder traurig macht, Geist und Seele beschäftigt. Wir haben schon viel miteinander gehört (und mit-erlebt!). In mancher Hinsicht wissen wir ganz viel voneinander, in anderer eher wenig. Adressen und Geburtstage beispielsweise haben wir erst vor drei Wochen endlich ausgetauscht. Wenn eine redet, redet nur sie. Und das tut gut. Manchmal fragt eine andere „Möchtest du etwas dazu hören?“ Manchmal ja, manchmal nein. Das ist nicht immer einfach, doch meistens klappt es. Sonst wird es noch einmal angesprochen. Oft tut es einfach gut, gehört und gesehen zu werden mit dem, was mich beschäftigt. Wenn mir vier Menschen WIRKLICH zuhören (oder auch nur zwei oder drei) – dann verändert sich etwas. Manchmal schon, wenn ich mir selbst zuhöre. Beim Reden, nicht Denken. Ich bringe das, was ich sage, auf eine andere Stufe der Wirklichkeit, wenn ich es ausspreche vor Zeuginnen. Ich nehme mich ernster. Und weil ich mit liebevollen Augen gesehen werde, sehe ich mich liebevoller. Und handle anders, wohlwollender und großzügiger mir selbst gegenüber. Wie an dem Tag, als Helena von der Vesperkirche erzählte, und davon, wieviel -freude es ihr gemacht hat, dabei zu sein, Verantwortung zu übernehmen. „Das würde euch auch Freude machen“, sagte sie. Da schlug mein Herz plötzlich will mit dem Impuls „Ja!“ – und ich platzte rein in ihre Zeit (ja, das gibt es auch!) „Ich könnte heute kommen.“ Und kriegte prompt eine Einladung, ganz nebenbei. Dann war die Nächste dran und dann „unsere Stunde“ herum und der Call vorbei. Doch der Impuls blieb – ich wollte Helena gern sehen und ihre Freude an der Vesperkirche (mit-) erleben. Und ich fragte mich, was ich zu verlieren hätte, wenn ich noch mal nachfragte und was ich eventuell gewinnen könnte – und fragte bei Helena an, ob ich wirklich kommen könne und sagte auch gleich, wann ich da sein könne (vier Stunden Zugfahrt eingerechnet). Und dann fuhr ich noch am gleichen Tag (!) nach Gütersloh, verbrachte einen wundervollen Abend mit einer „Schwester“ vorm Kaminofen, genoss am nächsten Tag ein leckeres Frühstück mit ihr – und in der Vesperkirche mit ihrer liebevollen Atmosphäre waren wir dann auch noch. Dann gings – sehr erfüllt und dankbar - wieder zurück nach Lüneburg. Und am nächsten Freitag sehen wir uns wieder per Zoom und schauen wohin das noch führt.
von Dorothee Kanitz 31. Januar 2024
Es wird wieder heller! Zwar ist noch wirklich Winter, und der Frühling kann noch weit sein (auch wenn es im Moment nicht so scheint) – doch auf jeden Fall merken wir, dass es früher hell und später dunkel wird. Und so ist die Energie ganz anders als noch vor einem Monat. Am 2. Februar gibt es ein kalendarisch festgelegtes (katholisches) Fest, Maria Lichtmess. Wie so oft, geht es im Ursprung auf ein vorchristliches Fest zurück, das wohl gefeiert wurde, um das wiederkehrende Licht zu ehren. Imbolc wird es jetzt oft genannt. Bis ins letzte Jahrhundert hinein wurden an diesem Tag die in der ganz dunklen Jahreszeit gefertigten Kerzen geweiht, gesegnet und mit guten Wünschen versehen. Auch das geht wohl auf keltische Wurzeln zurück. Jedenfalls zeigt dieses Fest eine Veränderung im „Spirit“ der Tage an – lichter, lebendiger, und gleichzeitig noch sehr verletzlich, zart und leise. Noch ist die winterliche Starre nicht vorbei. Und doch kündigt sich schon eine Änderung an. Ein guter Zeitpunkt, sich ans Wünschen zu machen. Oder die Träume der Raunächte in eine erste, vorläufige Form zu bringen. Eine Lichtmess-Kerze zu gießen, oder zu bemalen oder in sie etwas einzuritzen. Wir haben dazu weiße Kerzen genommen, auf denen „2024“ steht. Dazu einen Ulmensamen, in den wir in einer Meditation unsere Wünsche, Visionen, Anliegen „hineingegeben“ haben. Ihn damit aufgeladen und angereichert haben. Diesen Samen haben wir mit Wachs auf die Kerze geklebt. Wer wollte, konnte noch ein Wort dazu schreiben, mit einem Wachsstift. So sind ganz unterschiedliche Lichtmess-Kerzen entstanden. Im Kreis hat jede ganz bewusst ihre Kerze am Licht der Kreiskerze angezündet und dazu gestellt. Und dann standen wir in Stille um die brennenden Kerzen und spürten die Energien, die wir im Kreis, in den Kerzen in Bewegung gebracht hatten. --- Und nun sitze ich zuhause am Schreibtisch, die Kerze brennt und während ich schreibe, denke ich daran, dass alles Energie ist - und sehe das Licht, spüre die Wärme der Kerze und entscheide, dass meine Wünsche darin leuchten und Wärme verbreiten. Und bin gespannt, was sich wie und wo zeigen wird von dem, was jede von uns in diese Kerzen gelegt hat. Und vertraue der Kraft des Großen Geheimnisses, dass sich alles so entfalten wird, dass der größtmögliche Segen daraus entsteht. .
von Dorothee Kanitz 26. Januar 2024
Die Frage der Königin Schon lange und ziemlich weise regierte die Königin. Sie wurde geachtet, ja geliebt, und sie war gern eine Königin, denn das wohlergehen des Volkes lag ihr am herzen. An den Grenzen des Königreichs herrschte seit Jahren Frieden, es muss im Reich kein Mensch, weder groß noch klein, hungern – und alle, die wollten hatten Arbeit oder konnten etwas lernen. Doch in letzter Zeit war die Königin unruhig geworden: etwas oder jemand fehlte im Königreich. Sie rief ihren mutigsten und tapfersten Krieger zu sich und sprach zu ihm: „Krieger, ich habe eine wichtige Aufgabe für dich. Geh in die Berge und Höhlen am nördlichsten Punkt meines Königreichs und suche die alte, weise und große Drachin in ihrer Erdhöhle auf. Sie wird mir sagen können, was fehlt. Überzeige sie, wenn es möglich ist, hierher zu kommen und mich und das Reich zu besuchen. Ihre kraft hier wirken zu lassen. Oder dir wenigstens etwas davon für uns mitzugeben. Bring ihr von den Früchten des Landes und unserer Kunst. Oh, und lass deine Waffen hier, geh nur mit deiner Stärke und deinem Mut.“ Der Krieger war nicht überzeugt, dass das gut sei, er war ja ein Krieger und kein Diplomat. Doch er gehorchte seiner Königin und machte sich auf die lange und gefährliche Reise. Es dauerte Wochen, doch er kam im äußersten Norden an, und fand nach einiger Zeit auch die Erdhöhle. Er rief die alte Drachin - einmal, zweimal, dreimal. Ein tiefes Grollen antwortete. „Wer ist da, was willst du?“ Der Krieger antwortete nach bestem Gewissen… dann war es lange still. Schließlich bewegte sich die Erde, es grollte noch tiefer und länger … und dann starrten ihn zwei grünleuchtende Drachenaugen an. Rauch züngelte und er trat zwei Schritte zurück, etwas blass. „Ich habe von deiner Königin gehört, und zwar Gutes. Danke ihr für ihre Gaben. Ich werde nicht zu ihr gehen, doch ich weiß, was ihr fehlt. Sie soll das Reich in der Hand ihrer Tochter lassen und sich auf die Reise zu mir machen. Dann will ich es ihr sagen und sie wird noch viele Jahrzehnte gut weiter regieren.“ Die alte Drachin stieß noch eine Feuerwolke aus, grollte noch einmal tief und verschwand in der Dunkelheit der Erdhöhle. Die Erde bebte kurz, dann war alles wieder still. Der Krieger stand da, unschlüssig, ob er so nach Hause gehen könne. Doch dann drehte er sich um und machte sich auf den Weg zurück. Die Drachin, allein Ich hatte gewusst, dass ich von ihr hören würde. Seit langem verfolgte ich ihren Werdegang, wusste, was sie getan und geschafft hatte und sah, dass im Außen nichts mehr zu tun war. Dass es jetzt um sie und ums Ganze ging. Natürlich hatte sie ihren Krieger vorgeschickt. Immerhin ohne Waffen und mit Geschenken – sie war nicht mehr auf Macht und Sieg aus. Doch würde sie kommen? Den Thron auf ungewisse Zeit der Tochter überlassen, die zwar fähig, doch noch recht jung war? Würde sie den Komfort ihres Palastes verlassen und in die nackte Erdhöhle zu einer alten, feuerspeienden Drachin zu kommen? Ins Ungewisse? Klar wusste sie, dass ihr etwas fehlte, doch würde die Sehnsucht groß genug sein, um alles hinter sich zu lassen? Ich war erstaunt, wie sehr ich mir diese Begegnung wünschte – und wie groß meine Angst war, dass sie nicht kommen würde. Was würde das denn für mich ändern? Ich wollte sie so gern teilhaben lassen, meine Weisheit, meine Wildheit, meine erdige kraft und mein Feuer mit ihr teilen. Sie war die erste seit 10.000 Jahren, die gemerkt hatte, dass ihr ohne mich etwas fehlt, dass wir uns ergänzen, nicht befehden „müssen“. Könnte ich damit nicht zufrieden sein? Ihr etwas Feuer- und Erdkraft schicken, ein Weisheitsbuch dazu – und es dabei bewenden lassen. Etwas übrig lassen für die nächste Generation. Aber nein, ich wollte meine und ihre Sehnsucht „richtig“ erfüllen, wollte, dass sie kommt und ich ihr mein Erbe überlassen könnte, mit allem, was dazu gehört. Versöhnung von Mensch und Drache, Frau und Drachin, Königreich und Erdinnerem, Ich und Selbst. Da habe ich mich ganz schon hereingeritten, vorbei mein zufriedenes, isoliertes Dasein als Erddrachin, gefürchtet und in ruhe gelassen. Ich habe mich verwundbar gemacht. Es wird nicht (mehr) so sein wie vorher, egal, ob sie kommt oder nicht. Die Erde bebt unter meinem unruhigen Hin- und Hergetrampel. Was wird geschehen?
von Dorothee Kanitz 21. Dezember 2023
Dieses Jahr bin ich unterwegs zu Weihnachten. Ich tauche aus den langen, dunklen Nächten – ich schreibe am 21.Dezember – in den Sommer von Neuseeland, wo ich gemeinsam mit meiner ältesten Enkelin meine Tochter und ihre Kinder besuche. Ich löse damit ein Versprechen ein, vor langer Zeit gegeben. Und so werde ich am Heiligen Abend irgendwo im Flieger sitzen und für ein paar Stunden am Flughafen in Hongkong. Das ist so ganz anders als die Weihnachtsfeste, die ich kenne, mit Familie oder Partner und Christvesper und so, mit schön aufgebauter Krippe und Tannenbaum. Und trotzdem passend – die kleine Familie damals war ja auch unterwegs und nicht etwa zuhause, da wo es gemütlich war. Also schreibe ich – weil mir Weihnachten etwas bedeutet, egal, ob aus alter Gewohnheit oder weil ich auf der langen Reise nach N euseeland zu meiner Tochter einen Anker brauche. Einen Anker im endlosen Flug, der sich zieht und anstrengend ist und jenseits meiner Komfortzone. Diesen Anker schaffe ich mir schon vorher, hier im Schreiben, und vielleicht könnt ihr ja auch etwas damit anfangen. Mir ist es nicht do leicht gefallen, mich an den Gedanken von Weihnachten im Sommer zu gewöhnen – ich liebe doch gerade den Kontrast zwischen den hellen Kerzen am Baum (oder so) und der Dunkelheit. Ich zelebriere die Raunächte, auch dazu braucht es die langen Abende und das späte Hellwerden am Morgen. Ich liebe die Aus-Zeit zwischen den Jahren oder gar bis zum 6. Januar, wenn die Uhren langsamer gehen oder gar auf dem Nachttisch bleiben können – eine Zeit jenseits der Zeit. Zeit zum Lesen, Zeit zum Schreiben, zum Freund*innen treffen. So also wird es dieses Jahr nicht sein. Doch Heiligabend auf dem Flughafen von Hongkong ist ein anderes Abenteuer, eher im Außen wohl als im Innen. Und genauso, dann Knall auf Fall im Sommer zu landen. Ganz zu schweigen davon, mit meiner großen Enkelin unterwegs zu sein – mit ihren fast sechzehn Jahren ist sie eine smarte junge Frau – und wann habe ich sie schon einmal so lange Zeit neben und mit mir? Und Weih-Nacht ist ja das, was ich, was wir daraus machen. Das im Außen ist – auch hier – nur ein Spiegel unseres Inneren. Vielleicht etwas krasser als zu anderen Jahreszeiten, vielleicht sogar deutlicher. Ich hatte in den letzten Wochen vor meinem Aufbruch – also, als noch gar nicht so viel „getan“ werden konnte, ein paar ruhige Tage. Mit Schnee sogar. Fast (wie) weiße Weihnacht. Und mir war weihnachtlich zu Mute. Ich hatte Zeit zum Lesen, Schreiben, Freund*innen treffen. Und in mich zu schauen. Meine Sehnsüchte zu umarmen. Die Trauer auch, die aus den Schatten meines Lebens hervorkommt, wenn es dunkel und still ist. Die Freude, die der Schnee in mir auslöste und die Schneemänner und Frauen, die im benachbarten Park entstanden. Und noch einiges mehr. Ich hatte den Luxus, da einzutauchen. Den hat nicht jeder, ich weiß das. Meistens bin ich dankbar dafür. Und heute ist die längste Nacht, morgen um 4:37 Uhr ist Wintersonnenwende. Bis zum 24. Dezember steht die Sonne quasi still. So jedenfalls empfinde ich das für mich. Die Sonne steht still und ich – wir – bewegen uns dieses Jahr in der Luft. Starten im Winter, landen im Sommer. So jedenfalls im Außen. Wie es im Innen sein wird, weiß ich erst hinterher. Auf jeden Fall ist es ein Abenteuer. Wie jedes Weihnachten.
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