Nun wird es langsam schon Hoch-Sommer: der August naht.
Die ersten Felder sind abgeerntet, traditionell gewinnt Ende Juli/Anfang August die „Schnitterin“ ihre Ernte-Kraft.
Da wurde das erste Getreide geschnitten, - und die Kräuter, die zu Hygiene-, Heil- und Geschmackszwecken jetzt geerntet wurde.
Mit beherztem Schnitt zur richtigen Zeit.
Dann wurden sie getrocknet und verarbeitet – all das war Frauensache.
Ist es größtenteils noch oder wieder. Weil die Frauen auch – die allermeiste Zeit – die Heil-Kundigen, die Herd-Kundigen und die Trösterinnen sind, die den leckeren Tee kochen, die Salbe mischen und den Kräuteruschlag auflegen.
Manches davon wurde durch die Jahrhunderte bewahrt, anderes wird gerade wiederentdeckt.
Wichtig ist auf jeden Fall der richtige Zeitpunkt. Mir geht es oft so, dass die Kräuter so schön blühen, dass ich sie nicht stören will – und, schwupps, ist der richtige Zeitpunkt verpasst (oder es regnet und die Blüte ist hin).
Zum richtigen Zeitpunkt einen scharfen Schnitt setzen, das fällt uns auch im übertragenen Sinne oft nicht ganz leicht.
Denn: was ist der richtige Zeitpunkt?
Oft wird (mir) das erst im Nachhinein klar.
Oder ich bin gerade dann abgelenkt und meine, mich um andere Sachen kümmern zu müssen.
Erst später merke ich: da wäre es richtig gewesen.
Um den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, braucht es also (möglichst ungeteilte) Aufmerksamkeit.
Noch besser klappt es oft, wenn mehrere sich aufmerksam machen – so wie früher die Bäuerinnen gemeinsam zum Kräutersammeln gegangen sind und so der Zeitpunkt deutlich wurde.
Manchmal braucht es den Blick von außen, damit ich sehe: Jetzt ist es Zeit zur Aktion – ob es der Friseurbesuch ist, der Fensterputz oder der Blick auf meine Beziehungen oder meine Seele – Erinnerung tut oft gut.
Und darum mag ich das Fest der Schnitterin so gern – es erinnert mich an die Frage und den Blick darauf, wo jetzt ein Schnitt gut tun würde, weil der Zeitpunkt reif ist.
Wo will ich eine alte Gewohnheit loslassen, wo eine Beziehung klären, wo ein Kräutchen ernten oder auch beseitigen?
Und: würdige ich mein Tun? Oder muss ich mich (vor mir) rechtfertigen, weil ich zu früh oder zu spät oder unwillig oder zu viel oder zu wenig abschneide / ernte?
Wenn die Entscheidung für den Schnitt gefallen ist, dann bitte keine (inneren) Fragen oder Vorwürfe oder Zweifel mehr!
Dann nur noch ein klarer, entschiedener Schnitt, ohne Wenn und Aber.
Nur dann kann die Ernte gut und sicher eingebracht werden, die Kräuter / die Seele sich an die neuen Bedingungen gewöhnen und dem veränderten Zweck dienen.
Auch das lässt sich auf vieles übertragen und kann - im Innen und im Außen – für eine gute Ernte sorgen.
Das Schnitterin-Fest hat zwei Aspekte:
Einerseits das Abtrennen der Ähre, was den Tod der Pflanze bedeutet, und zum anderen die Ernte, die uns das Überleben sichert.
Übertragen wir das auf unser Leben, so ist Anfang August eine gute Gelegenheit, zu überprüfen, welche dieser beiden Aspekte im Vordergrund steht – und was daher möglicherweise mit einem Ritual unterstützt werden sollte.
Dazu ist es hilfreich, sich selbst folgende Fragen zu stellen:
• Was habe ich in meinem Leben bzw. in den vergangenen Monaten angesammelt, das ich jetzt ernten und feiern kann?
• Was ist mir gut gelungen? Wie drückt sich das in meinem Leben aus?
• Welche „vollen Einmachgläser“ stehen in meiner persönlichen Vorratskammer? Aus welchen Ressourcen kann ich also in der nächsten Zeit schöpfen?
• Was kann/muss ich abschneiden – damit ich Luft zum Atmen bekomme, mich leicht und frei fühle?
• Von welchem Ballast, der mich in der kommenden Zeit nur belasten wird und nicht nährt, muss ich mich trennen?
• Was in meinem Leben ist „überreif“ und wird nur faulig, wenn ich jetzt keinen Schnitt mache, es jetzt nicht abtrenne?
Wenn du diese Fragen ehrlich beantwortet hast, dann wirst du wissen, ob in diesem Jahr dein Schnitterin-Fest, dein August, im Zeichen von Schneiden oder Ernten steht und was für dich als „Schnitterin“ zu tun ist. Feire das, was immer es ist, was dran ist. Alles hat seine Berechtigung und seinen Sinn. Nimm dir eine kleine Auszeit, wann immer es dir passend erscheint und begehe das Fest der Schnitterin mit einem kleinen Ritual. Allein oder mit Freund*innen - es tut gut, Zeug*innen für einen klaren Schnitt oder/und deine erste Ernte zu haben.
Und wenn das getan ist, darfst du danken und segnen - dich, deine Ernte, dein Leben, deinen Mut zum Schnitt.
Dank
Danke dir für diese Zeit mit dir selbst –
Danke dem Sommer und seinen Früchten für deine Ernte.
Danke dir selbst, dass du sie siehst und wertschätzt.
Danke dem Kosmos, dass du so reich bist und ernten kannst.
Danke der göttlichen Weisheit, dass du so klar bist und deinen Schnitt setzen kannst.
Danke—und lebe. Jetzt. Hier. Heute.
Segen
So segne dich die lebendige Kraft
die alles wachsen lässt und zur Frucht bringt
Die dich zum Ernten befähigt
Und zum Abtrennen dessen,
was reif oder unbrauchbar ist
Die den Schmerz des Schnittes mit dir spürt
Und die Freude über die Früchte
Die mit dir den Tanz des Lebens tanzt
und dich hält.
Amen—so sei es.