Jahrzehntelang war ich der festen Überzeugung: "Ich habe keine Visionen. Schon gar nicht für mich persönlich."
Und am Sonntag saß ich da im Wald, mit neun anderen Frauen.
Die Sonne wärmte das Moos.
Wir ließen den Redegegenstand kreisen.
Ich atmete genüsslich die harzige Waldluft: Dankeschön.
So schön diese letzten Sonnentage.
Die Spinnweben glitzerten manchmal in der Sonne, immer wieder meldete sich ein Vogel.
Und wir Frauen teilten unsere Erfahrungen vom Wochenende.
Und dann hörte ich mich plötzlich - zu meinem eigenen Erstaunen, denn im Kreis weiß ich selten, was ich teilen werde - sagen:
„Ihr Lieben, ich stelle gerade fest, dass ich mitten in meiner Vision sitze! Immer, dachte ich: 'Etwas mit Bäumen und Wald, etwas mit Frauen und etwas mit Kreis, das wünsche ich mir'. Und jetzt sitze ich hier mit euch im Wald. Danke.“
Wahrscheinlich hatte ich noch ein paar Sätze mehr, doch das war die Essenz.
Und aus dem „etwas mit“ - konkreter war meine Vision nie – war ein realer Moment geworden.
Ich will kein Seminarhaus oder eine WG oder einen Arbeitsplatz (glaube ich - noch).
Ich will in der Natur sein, mit bewussten Menschen, die nicht perfekt sind.
Doch die wie ich (meist) wissen, „wenn mich was triggert, bin ich es“, wenigstens immer wieder.
Ich will ein Teil des Kreises sein, des Webnetzes von Grandmother Spider, der Schöpferin und Weberin des Lebendigen.
Ein Teil der Natur.
Ein Frau-Tier in einer Welt voller Tiere, Pflanzen, Mikroben, Pilzen und Mycel.
In der auch die dazugehörigen und eigenständigen Geister, Devas, Wichtel und Feen ihren Platz haben und geachtet werden.
Diese Welt ist sicherlich noch viel größer, als ich denken kann, auch als ich fühlen kann. Grösser und bunter als meine Vorstellungskraft und meine Visionskraft. Und doch wirklich.
Gleichzeitig saß ich im Moos auf meiner Decke.
Getragen im Kreis und in einer Zeitlinie, die mir eine erste und glückliche Ahnung von Verwirklichung meiner „etwas mit“-Vision vermittelte.
Und mich das Teilen ließ.
Eine neue Geschichte, die von Verbundenheit und Gleichwertigkeit und Liebe zu mir und anderen erzählt. Und Real und wahrhaftig ist.
Wirk-lich. Sie wirkt.
Sie ist - nach meinem Dafürhalten - ein Anfang. Mein Anfang.
Andere sind an anderer Stelle, doch das ist egal.
Ich bin hier.
Ich habe einen Blick auf mich und die Welt geworfen. In echt, nicht nur im Kopf.
Einen Blick, der über das hinausgeht, was ich bisher für wirklich und real (für mich) gehalten habe.
Wunder-voll.
Und natürlich meldet sich mein Kopf, als ich jetzt schreibe, und sagt: „Das ist nur ein flüchtiger Moment, schau, wie anders die Welt aussieht.“
Und vieles mehr.
Egal.
Klar, das stimmt, doch das andere stimmt auch und ich möchte mehr davon.
Von dieser Vision, die wirklich wirk-mächtig wird und mich - und damit auch die Welt - verändert.
Von dem Vertrauen, dass sie sich weiter ver-wirklicht.
Mehr will ich (jetzt) nicht.
Nicht in dem Sinne, dass ich es unbedingt und mit jedem Einsatz will, ich will es eher auf eine weibliche Art.
Dass ich es lasse, loslasse, wie die Blätter im Herbst.
Im Vertrauen darauf, dass nährender Kompost und Waldboden daraus wird.
Ich will empfänglich werden und bereit, mich nach der Ernte, nach dem Loslassen der Blätter und der Visionen auf die dunkleren und dann dunklen Tage und die langen Nächte einzulassen. Geschehen zu lassen, was geschehen will und anzunehmen, was sich weiterentwickelt.
Aus dem Beginn der Verwirklichung meiner Vision.
Und gespannt auf die neuen Visionen, die aus der Dunkelheit und der tiefen Erde erwachsen, die aus dem Kessel der Cerridwen aufsteigen.
Gelassen und neugierig mit dem Blick der weisen Alten und des Kindes.
Einfach so.