Juni - Sonnenwende
Der Juni ist der letzte Monat der ersten Hälfte des Jahres – jeden Tag geht die Sonne immer noch ein wenig früher auf und später unter – bis zum 21. Juni. Dann ist ihr Höchststand erreicht – und hier im Norden ist der Tag 16:59 Stunden lang (das sind fast zehn Stunden mehr als zur Wintersonnenwende!). Sie bleibt einige Tage auf diesem Stand und dann werden die Tage wieder kürzer und wir gehen in den Sommer und gleichzeitig in die dunkle Jahreshälfte.
Ich finde das immer wieder zum Staunen, dass auf dem Höhepunkt der langen Tage der Sommer (kalendarisch) beginnt und zugleich der Abschied von der hellen Zeit sich ganz langsam bemerkbar macht. Das ist ein so un-glaublich deutliches Zeichen dafür, dass wir in einer polaren Welt leben, wo immer beide Pole – wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen und Anteilen – vorhanden sind und in, mit und um uns wirken.
Noch ist die Sommersonnenwende allerdings drei Wochen entfernt, wir haben gerade Pfingsten gefeiert, das Fest des Geistes.
Das Fest der Ruach (so heißt der/die Heilige GeistIn im Hebräischen, wo er/sie ganz am Anfang auftaucht und über dem Urmeer schwebt).
Das Fest der Weisheit, der (auf Griechisch) Sophia. So viele unterschiedliche Bezeichnungen. Die einen männlich, die anderen weiblich.
Dieses Jahr war mir die Sophia-Weisheit am nächsten.
Weil das Wort „Weisheit“ so ein wunderschönes Wort ist.
Weil wir Pfingsten weise werden, wenn uns die göttliche Weisheit küsst/wir uns küssen lassen. Ich finde, das ist ein wohltuender Gedanke.
Ja, ich möchte von der Weisheit geküsst werden, auch wenn Pfingsten schon vorbei ist – sie ist ja nicht an Zeit und Raum gebunden und Küsse sind zu jeder Jahreszeit schön 😊.
Genau wie der Wald, die Wiese, der Garten.
Und natürlich denke ich: Jetzt, ja, genau jetzt, ist das alles am allerschönsten (das denke ich immer wieder 😊).
Das ganz helle, junge Grün von Anfang Mai ist schon dem sommerlichen Voll-Grün gewichen, der Wald wird jeden Tag dichter – und gleichzeitig singen die Vögel noch so frühlingsstark und laut, den ganzen Tag über. Das Moos ist weich, manche tage waren warm genug (und es werden mehr!), um sich auf den Waldboden oder die Wiese zu legen und in den Himmel zu schauen (dessen Himmelblau einen wundervollen Kontrast zum Grün bildet!).
Am Pfingstsonntag bin durch den Wald spaziert (modern ausgedrückt, habe ich in ihm gebadet).
Und da waren meine Freunde, die Bäume, mein Gefährte, der Himmel, meine Mutter, die Erde, der weiche Waldboden unter meinen Füßen.
Und die Ruach, die Sophia, der Heilige Geist.
Überall um mich herum.
Im Singen der Vögel, im Flirren der Blätter im Sonnenlicht, beim Gehen auf dem noch kühlen Waldboden.
Die Germanen haben früher Heilige Bäume und Wälder gehabt.
Das waren ihre Kirchen und ihre Altäre.
Und ich habe schon oft gedacht, dass die Buchenwälder, diese lichten, hellen Dome, das Vorbild sind für unsere gotischen Dome.
Wir sollten sie wieder als Heilige Orte betrachten, gern neben unseren gotischen.
Gleichzeitig finde ich die Idee, wieder hinauszugehen, wieder viel öfter den Boden unter den Füßen zu spüren und den Himmel oder das Blätterdach über uns zu sehen, faszinierend und wichtiger denn je. Das haben wir viel zu lange vernachlässigt und es ist uns nicht bekommen – wir fühlen uns zu oft von allem und allen isoliert und allein.
Pfingsten geht es in der christlichen Geschichte darum, dass plötzlich Verständigung möglich ist auch mit Menschen, deren Sprache man nicht versteht.
Und ich glaube Verständigung ist absolut wichtig und „dran“.
In Verbindung zu Menschen, die wir nicht auf Anhieb verstehen, sprachlich oder kulturell.
Da ist Pfingsten nötig und ein wirklich wichtiges Fest.
Und genauso wichtig ist eine neue (Wieder-) Verbindung mit allem anderen Lebendigen (ich nenne es jetzt einfach mal Natur, obwohl ich und wir alle ja Teil davon sind und nicht Gegenüber).
Für mich sind da die Bäume immer an erster Stelle.
Doch jede/r hat ja andere „Erstbezüge“, also wichtigste Liebesbezüge zur Natur.
Vielleicht ist es für dich das Meer. Oder die Blumen. Oder Kräuter?
Ich glaube, es ist ganz egal.
Wichtig ist, dass wir so einen Punkt haben.
So einen Punkt, an dem wir plötzlich die heilige Weisheit in allem entdecken.
Die Weisheit, die „vor Gott spielt“ (So steht es in der Bibel).
Und dieses Spielerische ist mir im Wald sehr aufgefallen.
Wie die Sonne auf dem Boden spielt mit dem Schatten.
Wie Blätter im Wind spielen.
Wie das alles so leicht erscheint.
So spielerisch.
So selbstverständlich.
So ohne Anstrengung.
So darf das Leben auch sein.
Vielleicht nicht nur (auch wenn ich darauf vertraue, dass es mit Übung und dem Aufgeben meines inneren und äußeren Widerstands immer mehr so sein kann – doch das ist ein neues Thema).
Doch immer öfter.
Vertrauen ins Leben hilft mir da. Ich könnte es auch Vertrauen in Gott, in die Göttin, ins göttliche Geheimnis nennen.
Und da komme ich zum nächsten (kirchlichen) Fest, das eine Woche nach Pfingsten gefeiert wird, noch unbekannter als Pfingsten ist und ein „bisschen schwierig“:
Trinitatis – das göttliche Geheimnis in Beziehung
Ein wichtiger Unterschied zwischen Christentum, Judentum und Islam ist der christliche Gedanke, dass Gott einer und zugleich drei ist – der „dreieinige“ Gott. Für die einen ist das eine Abweichung vom Monotheismus, für andere ein Drei-Männer-Gott und wieder andere sehen darin „Gott in Beziehung“.
All das ist natürlich eine Verkürzung und dieser Artikel ist zu kurz, darauf einzugehen. Soviel aber möchte ich trotzdem sagen:
Der Gedanke von „drei Gött*innen in eine*r“ ist kein genuin christlicher Gedanke.
Die „alten Göttinnen“ kamen oft zu dritt – als Tochter, Mutter und Alte Weise / Todin.
Hier war der Gedanke wichtig, dass das Leben immer in Zyklen verläuft (wie in der Natur).
So wurde die Lebenswirklichkeit in der Göttin abgebildet.
Später dann gab es oft die Mutter (und den Vater) mit dem Kind (Sohn) – vor allem die Statuen von Isis und Horus aus dem ägyptischen Umfeld sind mit Darstellungen von Maria mit Jesus fast zu verwechseln.
Mit dem Siegeszug des Patriarchats blieb nur noch der (männliche) Gott übrig, nicht mehr Eltern und Kind, sondern Vater, Sohn und Geist.
(Was leider die – weibliche - Hälfte der Lebenswirklichkeit vollkommen ausblendet. Von allen/allem dazwischen ganz zu schweigen.)
Dennoch ist die göttliche Dreieinigkeit eine bedeutende „Erkenntnis“ Gottes.
Nicht als Drei-Männer-Gott, sondern als Gott*in in Beziehung, in dynamischer Bewegung, in lebendigem Austausch mit sich und der Welt.
Und, fast noch wichtiger: als Geheimnis.
Wie in der Dreiheit des Menschen, oft gefasst als „Körper, Seele und Geist“, das Geheimnisvolle menschlichen Lebens ausgedrückt ist, so ist in der Dreieinigkeit das Geheimnisvolle der göttlichen Kraft zum Ausdruck gebracht und gewahrt.
Das ist – bei aller Vereinnahmung Gottes durch menschliche Erklärungen – doch wundervoll.
Und mit einem Geheimnis "schwanger" durch den Juni zu gehen, das hat doch etwas.
Macht den (Früh-)Sommer zu (m)einer Hoch-Zeit.
Bringt mich in Verbindung und Beziehung mit mir selbst, dem Leben, meiner Mitwelt und dem Großen Geheimnis.